“In
fortress Europe you still have holes where we can enter, and people are
still entering.”
(Jean
Jacques Effson Effa, The Voice)
Die
restriktiven Einwanderungsbestimmungen der Staaten der Europäischen
Union bedeuten für MigrantInnen, dass diese kaum eine Chance haben,
legal in die EU einzuwandern und sich in einem der Mitgliedsstaaten aufzuhalten.
Die Inanspruchnahme von Fluchthilfe ist daher für diese einreisewilligen
Menschen oft die einzige Möglichkeit, die Grenzen der „Festung Europa“
zu überwinden.
Das
Projekt „Dienstleistung: Fluchthilfe“ verfolgt das Ziel, die durch die
dominierenden medialen Diskurse negativ besetzten Begriffe wie „Schlepper“
oder „Schleuser“ umzudefinieren und positive Aspekte herauszustreichen.
Der Tatbestand „Schlepperei“ wird dabei – im Gegensatz zu weitverbreiteten
Darstellungsmustern – nicht als kriminelle Ausbeutung von Flüchtlingen
dargestellt, sondern der Dienstleistungscharakter dieses aufgrund der EUropäischen
Abschottungspolitiken notwendig gewordenen Gewerbes hervorgehoben.
Damit
verbundene Themenfelder wie Grenze, Migration und Flucht werden in Kooperation
mit antirassistischen Gruppen, MigrantInnenorganisationen und Studierenden
der Universität Lüneburg bearbeitet.
Das
Projekt „Dienstleistung: Fluchthilfe“ wird in unterschiedlichen Medien
realisiert, z.B. als Postwurfsendung oder als Video, die gemeinsam mit
weiteren Informationsbereichen eine Ausstellung im Kunstraum Lüneburg
bilden.
Dem
Projekt liegt eine prozessorientierte Herangehensweise zugrunde, die verschiedenen
Rechercheergebnisse haben im Verlauf des Projekts auf die jeweiligen Projektteile
wechselseitig Einfluss genommen.
Postwurfsendung
„Neues Grenzblatt“
Beteiligte
Gruppen: Plattform „Für eine Welt ohne Rassismus“, Forschungsgesellschaft
Flucht und Migration, TATblatt, Zebra, Maiz, The Voice, Kanak Attak, TschuschenPower
In Kooperation
mit anti-rassistischen Gruppen und MigrantInnenorganisationen wurde die
Informationsbroschüre „Neues Grenzblatt“ produziert, die als Postwurfsendung
im April 2001 entlang der gesamten EU-Außengrenze in der Steiermark
(A) an 12.000 Haushalte versandt wurde. Das Layout wurde zum leichteren
Einstieg der Auseinandersetzung mit diesen Themen eher „volkstümlich“
gehalten. Durch die populäre Gestaltung – Bilder der Region illustrieren
die Broschüre – und mit Headlines wie „Fluchthilfe – Service mit Qualität“
sollen BewohnerInnen in der Grenzregion neugierig gemacht. Die LeserInnen
werden mit anti-rassistischen Stellungnahmen und Sichtweisen konfrontiert,
die in bürgerlichen Medien marginalisiert werden. Alle beteiligten
Gruppen haben in ihren Textbeiträgen eine Sprache verwendet, die auch
theoretisch nicht so versierte LeserInnen anspricht. Die Informationsbroschüre
wird außerdem auf verschiedenen alternativen Wegen distributiert
(z.B. in Kooperation mit linken Gruppen) und in der Ausstellung im Kunstraum
der Universität Lüneburg zur freien Entnahme aufliegen.
Video
„Dienstleistung: Fluchthilfe“
Ein
Video (DV, Farbe, 51 min), das in der Ausstellung ein zentrales Element
bildet, aber auch unabhängig davon auf themenbezogenen Veranstaltungen
und alternativen Videofestivals gezeigt wird, setzt sich mit den hegemonialen
Darstellungsmustern von „Fluchthilfe“ und Migration auseinander. Anhand
von Gesprächen, die in Deutschland und Österreich mit politisch
engagierten MigrantInnen und VertreterInnen linker Gruppierungen geführt
wurden, wird die Thematik in den vier Abschnitten „Wer darf migrieren?“,
„Feiern und Abschotten“, „Zur Fluchthilfe“ und „Gegen Rassismus“ analysiert
und kritisch kommentiert.
So
beschreibt ein Vertreter der aktivistischen Gruppe „Taxistas“, wie in Deutschland
TaxilenkerInnen wegen der Beförderung illegalisierter Menschen als
„Schleuser“ kriminalisiert werden.
Der
Abschnitt „Feiern und Abschotten“ ist eine „Kurzreportage“ über die
neuesten Kriegsgeräte zur Grenzsicherung, die von Soldaten auf einer
am österreichischen Nationalfeiertag abgehaltenen Feier des Bundesheeres
am Heldenplatz in Wien bereitwillig präsentiert wurden. Im Abschnitt
„Zur Fluchthilfe“ zeigt ein Gespräch mit einem leitenden Bundesgrenzschutzbeamten
in Frankfurt an der Oder widersprüchliche Argumentationen auf, mit
welchen versucht wird, rassistische Abschottungsmechanismen zu legitimieren.
Das
Digitalvideo wurde im März 2001 auf der Diagonale, dem Festival des
österreichischen Films, im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Politik
bilden!“ erstmals gezeigt.
Ausstellung
„Dienstleistung: Fluchthilfe“
Projektgruppe
Lüneburg: Tina Dust, Uta Gielke, Maja Grafe, Nina Heinlein, Patricia
Holder, Mara Horstmann, Sarah Kaeberich, Nina Koch, Susanne Neubronner,
Astrid Robbers, Stig Oeveraas, Sabine Zaeske
Ausgehend
von einem von uns durchgeführten Blockseminar an der Universität
Lüneburg bildeten teilnehmende StudentInnen eine Projektgruppe. Gemeinsam
mit dieser wurde ein Ausstellungskonzept entwickelt und weitere Komponenten
für die Ausstellung im Kunstraum Lüneburg konzipiert. Bei einem
gemeinsamen Besuch in Frankfurt an der Oder wurde an der Grenze recherchiert,
Teile dieser Recherche fließen in ein von den StudentInnen produziertes
Video ein, welches sich mit weiteren Facetten zur Thematik Migration und
Fluchthilfe beschäftigt. Gespräche von Mitgliedern der Projektgruppe
mit StudentInnen in Frankfurt an der Oder, einer MigrantInnengruppe in
Hamburg und VertreterInnen des „Netzwerks gegen Rechts“ in Lüneburg
bilden einen Recherchepool, der Einblicke in lokale Situationen erlaubt
und den Zugang der StudentInnen zur Thematik widerspiegelt.
In einer
Wandinstallation wird anhand von Texten, Mail-Aussendungen und Flugblättern
die Arbeit der Gruppen dokumentiert, die Beiträge für „Neues
Grenzblatt“ verfasst haben. Des weiteren wurden ausgehend von einem von
Ulf Wuggenig an der Universität Lüneburg geleiteten parallel
stattfindenden Seminar zu Rassismus aus der dort diskutierten Literatur
von der Projektgruppe Zitate ausgewählt. Diese verweisen in einer
Installation auf Textpassagen der Literatur, die gemeinsam mit anti-rassistischen
Zeitschriften einen theoretischen Rahmen für die einzelnen Bestandteile
der Ausstellung bilden.
Das
Projekt wurde gefördert von:
-
Kunstraum der Universität Lüneburg
-
Verein Ökologie und Kunst, der die Kooperation von Kunst und Wissenschaft
im Rahmen der Kulturlandschaftsforschung forciert |