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Das
Projekt "Institutionelle Rassismen"
Interviews
zu Abschottungspolitiken
Kommentare auf dem
Plakatobjekt
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Der Staat konstituiert die Nation. Er
kontrolliert, weist ab, bestraft, sperrt ein, schiebt ab und fühlt
sich im Recht: durch internationale Verträge, Drittstaatenregelungen
oder Waffenbrüderschaften. Er ist Dein wahrer Freund und Helfer, denn
”das Boot ist voll”. Das Boot, in den frühen 90er Jahren zur völkischen
Metapher der Nation geworden, privilegiert Dich und die Deinen. Österreicher,
Deutsche, Franzosen zuerst. Wer dann? Du hast persönlich sicher nichts
gegen ”Ausländer”, kennst selber welche, findest sie sympathisch und
ißt gerne beim Griechen. Das ist oft gesagt: JedeR nach seinen/ihren
Bedürfnissen. JedeR, wo sie/er hingehört. Aber: Ich ist immer
auch gleich Wir, denn: ”Wir sind das Volk”. Der individuelle Gutmensch
(”Ich als Deutscher”) und der strukturelle Rassismus/Nationalismus/Antisemitismus
sind keineswegs Gegensätze. Vielmehr liegt in dieser Beziehung das
Modell einer völkischen Demokratie begründet, wie es sich zunehmend
auch dort durchsetzt, wo bis vor kurzem noch andere Gesetze galten, z.B.
in Frankreich. Dort wird das Recht des Bodens - d.h. der Ort, an dem eineR
geboren wird, gilt als bestimmend für die Staatsbürgerschaft
- zunehmend eingeschränkt durch das Recht des Blutes und der Abstammung
nach deutschem Muster.
Unter institutionellem Rassismus ist daher
die Verschränkung der völkischen Alltagsraison mit dem staatlichen
Rassismus der EUropäischen Migrationsregimes zu verstehen. Zum letzteren
gehören die Verschärfung bzw. faktische Abschaffung des Rechts
auf Asyl (in Deutschland 1993), die rigorose Anwendung der rechtlich unklar
definierten Schubhaft, die jemand, dessen Aufenthaltsstatus nicht länger
als legal aufgefaßt wird, als Strafe für das nicht pflichtversessene
Ausreisen aufgebrummt bekommt, bevor sie/er abgeschoben wird und die unter
dem Euphemismus ”Innere Sicherheit” betriebene Hatz auf die zuvor schon
gesellschaftlich, medial und politisch Ethnisierten und Illegalisierten.
Der alltägliche und der staatliche Rassismus bedingen und ”befruchten”
einander, wie in den offiziellen Reaktionen auf die Pogrome der letzten
Jahre deutlich zu sehen war: Stets sind die Opfer als Täter oder zumindest
als Problem eingeschätzt worden, siehe Hoyerswerda, Rostock, Mölln,
Solingen, Mannheim, Oberwart, Lübeck u.v.a.
Für die politische und in dem hier
zu besprechenden Fall künstlerische Praxis sind diese Konstellationen
nicht leicht zu thematisieren. Allein die Sprecherpositionen als einerseits
kritisch auf den Staat bezogen, andererseits aber als selbst privilegierter
Teil des völkischen Kollektivs führen leicht zu patronisierenden
Fürsprecher-Einstellungen gegenüber denen, die nicht ”dazu” gehören.
Zwischen gutwilliger, aber folgenloser Aufklärung und konkreten, hilfreichen
Aktionen muß ebenso unterschieden werden wie zwischen einer öffentlichen
Konfrontation mit dem herrschenden Migrationsregimes und der kulturellen
Verwertung von persönlichen Leidenserfahrungen.
Krenn/Ressler peilen in ihrer Arbeit ein
Ineinandergreifen von Aufklärung und Intervention an. Die Plakate
auf dem Kubus vor der Wiener Oper zeigen eine typische Wiener Fassade,
wie sie an vielen Häusern in der unmittelbaren Umgebung auch vorhanden
ist. Nur diese Fassade ist die Fassade eines Wiener Polizeigefängnisses,
das vor allem für Schubhäftlinge vorgesehen ist. Speziell für
die touristischen Flaneure (und nicht nur die!) wird die ästhetisierte
Betrachtung der Stadt gebrochen: Die Stadt ist nicht für alle da.
”Nicht weit von hier” wird der staatliche Rassismus vollzogen und alle
sollten es wissen. Als einer Intervention in den städtischen Raum
ist an dieser Arbeit interessant, daß sie überhaupt für
sechs Wochen an der Stelle stehen konnte. Gegenüber der städtischen
Bürokratie wurde von den Künstlern mit Kunst argumentiert, um
letztlich eine politische Botschaft zu plazieren. Das ist bezüglich
der gängigen Kunst und Politik-Diskussion eine empfehlenswerte Strategie.
Während der sechs Wochen wurden auf den Kubus sowohl freundliche als
auch aggressive Kommentare (Herunterreißen der Plakate z.B.) hinzugefügt.
Als künstlerische Strategie handelt es sich um ein konfrontatives
und partizipatorisches Modell, bei dem im Unterschied zu politischen Informationsständen
zwar Leute zu den Texten auf dem Kubus sich äußern konnten und
einige auch interviewt wurden, aber keine kontinuierliche Diskussion mit
ihnen stattfand.
Begleitendes Material zu den Zuständen
in den Schubhaftknästen gab es im Ausstellungsraum des WUK. Dokumentiert
wurden Hungerstreiks, Selbsttötungen als letzter Ausweg vor der Abschiebung
sowie der Einsatz von Brechmitteln seitens der Polizei gegen angebliche
Dealer (um verschluckten Stoff zu erbrechen). Das läßt die Stimmung
in diesen Knästen erahnen, von den alltäglichen Zumutungen einer
Schubhaft (sinnloses Warten auf die Abschiebung) einmal abgesehen.
Trotz seines Wahnsinns zeigt der staatliche
Rassismus doch Konsequenz. Allerdings ist er nur der sichtbarste Teil des
Komplexes ”Rassismus und Antisemitismus”. Er erlaubt auch für Deutsche
die oppositionelle ”Wir gegen ihn”-Einstellung. Die alltäglichen,
gesellschaftlichen Rassismen sind viel unauffälliger, für die
davon Betroffenen allerdings umso härter zu spüren. Im Anstarren
in der U-Bahn genauso wie im bemühten Lächeln den ”süßen”
Kindern gegenüber. Nur nicht zu viele davon. In der Multikulti-Werbung,
die unterschiedliche ”Kulturen” nebeneinander darstellen will und dabei
den als Türken orientalisierten älteren Herrn neben einem jungen
Punk zeigt. Alle müssen sich bemühen, Differenzen anzuerkennen,
nicht nur die Deutschen, scheint die Botschaft zu sein. Oder in der Gegenüberstellung
einer blonden deutschen Frau mit Hund (sie ist einsam und braucht deshalb
ein Tier) und einer als türkisch gekennzeichneten Frau mit fünf
schwarzhaarigen Kindern (Überbevölkerung, Du weißt schon!).
Vielfach zeigt sich das rassistische Elend erst, wenn in guter Absicht
fabuliert wird. Gesellschaftliche Rassismen sind für Deutsche nicht
an ”Andere” delegierbar, sondern erst einmal in und bei sich selbst auszumachen.
Apropos Österreicher: ”Österreicher, Ihr seid Deutsche!” sangen
Laibach vor 10 Jahren und hatten recht damit. Muß das weiter erklärt
werden? Die ”Deu(i)tschen” fungieren in Österreich immer noch als
Abwehr und Delegierung der eigenen Schuld an Antisemitismus und Shoa.
KEIN MENSCH IST ILLEGAL!
HELMUT DRAXLER
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